Der Genealogische Abend 

Naturwissenschaftlicher und Historischer Verein für das Land Lippe e.V.


Vaterländische Blätter

Lippisches Magazin Nr. 11 15.Dezember 1932

Plattdeutsche Hausinschriften aus dem lippischen Norden

Von A. M e i e r - Böke

Abschrift: Wolfgang Frehde

Es sind ihrer nicht mehr viele. In 40 Siedlungen, die in 5 Kirchenspielen untersucht wurden, soviel, wie die Woche Tage hat. Der Zahn der Zeit fraß die meisten. Der Rest ging „warm“ weg.
Der Text enthält neben niederdeutschem Sprachgut auch hochdeutsche Brocken eingemengt. Selten ist der Wortlaut rein. Es handelt sich um die Zeit des Ueberganges aus dem Niedersächsischen ins Schriftdeutsche.
Die älteste plattdeutsche Holzurkunde steht in erheblichem Abstand von den übrigen. Insofern ist auch ihr Sprachgut noch rein. Sie findet sich im Gefach über dem Torsturz des Pfarrhauses zu Lüdenhausen und hat folgenden Wortlaut: „ Wy von Godes (Gnaden) Hertoge tho (Braunschweig und Lüneburg) hebben (dussen) Ekeder Pot (ho den Kerk) Heren tho (Lüdenhausen zur Weme gegeben) A D. 1339“. Die Jahreszahl ist aufgemalt. Ob die Lettern ihr entsprechen in bezug auf die Zeit der Herstellung, vermag ich nicht zu entscheiden. Die Worte in den Klammern sind Ergänzungen auf Grund einer Urkunde von 1348. Originalabdruck Siehe Lipp. Dorfkalender 1919.
Aus dem 16. Jahrhundert blieben noch zwei plattdeutsche Inschriften erhalten. Die ältere in Langenholzhausen auf der Diele des Hofes Hieronymus, an einem senkrechten Seitenständer, der dem ehemaligen Strohdachhaus entstammt, das vor Jahrzehnten abgerissen wurde. Sie lautet: „ NO 1588 DUTH HEFFT HINNERICK HANKE UND SEN FRUWE HEBBEN ...“. Die jüngere ist Behtorf Nr. 13, Leibzucht Fassemeier: „Kord Schratgemeier Nolle Kovoed unde Anne Wasse gebuwet im Jahr Anno Domini 1588.“ Diese Inschrift, in gotisierenden Lettern ausgeführt, befindet sich über einerjüngeren von 1780. Der nirderdeutsche Sprachcharakter wird deutlich an dem Namen „Kovoed“, schriftdeutsch „Kuhfuß“; das „d“ ist also noch nicht zu „s“ verschoben.
O. Preuß überliefert in seinen „Baulichen Altertümern“ noch zwei weitere Beispiele aus dem 16. Jahrhundert. Das ältere ist aus Varenholz, Nr. 2, Brinkmann. Ein hölzerner Träger der Diele zeigt neben dem Wendtschen Wappen (3 Eisenhüte) den Text: „Ik dank di min Godt unde Vater vor allent dat du mi vorlenet heffst. Anno 1559.“ Diese Inschrift muß verloren sein. Für Alverdissen vermerkt Preuß eine Inschrift des Hauses gegenüber dem Ratskeller: “A. D. 1574. O Godt help ut Noth. Affgunst de is grot.”
Der Rest der einschlägigen Holzurkunden fällt naturgemäß ins 17. Jahrhun-dert, bis auf eine in dessen erste Hälfte. Die Vermischung mit dem Schriftdeutschen macht zunehmend Fortschritte. Ich führe dem Alter nach auf: „Anno 1607. Hermann Stock un sin Fruwe alhier dorch Godes Hilfe. M. K. B. Wer Got vortruwet hat wol gebuet.“ Die Inschrift steht vor dem Hause August Reinecke, Lüerdissen, Nr. 14. Der plattdeutsche Charakter zeigt sich in dem „i“ des „sin“, das noch nicht zu „ei“ diphthongiert ist.
„Anno 16XIII. Wolvph Godt vortruwet de heft wol gebuwet. M. Hinrich Grabbe.“ Es ist der Text des Hauses Jürgensmeier, Nr. 14. Unter der wilden Orthographie ist der niederdeutsche Kern noch zu erkennen. Der Sinnspruch ist der Anfang des von Joachim Magdeburg in den Jahren nach der Reformation auf Hochdeutsch gedichteten Liedes.
In Kalldorf heißt der Spruch des Hauses Hermann Staßmeier, Nr. 26: „Salomonaai...Capit. Der Segendes Heirer Maket rik. Anno 1624 hebben Hinrich Fromme und Lucia Kappes düth Huß laten buhen.“ Die noch unverschobenen Mitlaute „t“ sind „k“ sind echt niederdeutsch. Als Baumeister wird ein „Dorch M. Lulff Adrian“ genannt.
In Langenholzhausen hat Haus Kreinmeier (früher Wehrmann) folgende an das schicksalsschwere Ereignis des Dreißigjährigen Krieges und vermutlich an einen Hausbrand gemahnende Beinschriftung: „Anno1634 den 2ten Oktober habe ich Herman Bexten u. Ilsche Schmedinck dis Haus e. b. Wo din Gesette nicht min Trost gewest, were ich vergraben in meinem Elende.“ Niederdeutsch sind nur noch die Worte „Gesette“ mit unersetztem „t“ und „min“ , mit unzerlegtem „i“.
Die Inschrift an der Scheune (Gartenseite) des Hofes Süllwald, Nr. 4, in Welsdorf ist noch erheblich unvermischter: Anno 1643 Ties Klocke un sine Sonne (?) D. B. T. Hus laten buwen. Alle di mi kennen, den gebe Godt wat si mir gönne.“ Das Fachwerk zeigt eine Gesichtsmaske, wie sie an den älteren Bauten des lippischen Nordens wohl ein Dutzend mal vorkommt.
Die jüngste plattdeutsche Urkunde gehört zeitlich ans Ende des 17. Jahrhundert und findet sich in Bentorf am Haus Nr. 23, Besitzer Schröder, also lautend: „Anno 1686 hadt Hanns Johanning undt Margreta Sülwlodt dese Steie durch M. Henrich Straten en Gottes Segen gekauft unnd bebauen lasen.“ Die Inschrift zeigt wunderlich verzogene Buchsaben und ist deshalb schwer leserlich. Als nirderdeutsch ist nur noch ein einziges Woet anzusprechen: „Steie“ für Stelle, das noch vokalisierten Laut hat statt des „l“. nbedingt sicher ist obige Lesung jedoch nicht.
Damit ist der Kranz nordlippischer Texte aus dem Niederdeutschen zu Ende gewunden. Wir müssen uns mit den wenigen Blüten begnügen. Aber auch ein bescheidenes Sträußlein kann schön sein, wenn es liebe Blumen bindet. Und das tut das unsrige. Liebe, altbekannte Dorfblumen, Bauernblumen. Sind die nicht immer noch am schönsten?
So wollen wir dankbar sein, daß uns wenigstens diese wenigen Gänseblümchen blieben, wollen uns an ihrer mütterlichen Sprache erfreuen und sie hüten und hegen, daß unsere Nachfahren sie auch noch finden und ihrerseits ihre Freude daran haben, zur Stärkung der Heimatliebe, in Ehrfurcht vor dem Ahnenerbe, das seine Blüten in der Sprache treibt. Dann kann diese kleine Sammlung auch anderen Leuten von Belang sein, als bloß dem Sprachforscher.

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