Rose

 Der Genealogische Abend 

Naturwissenschaftlicher und Historischer Verein für das Land Lippe e.V.

Rose

Hausinschriften von Heiden und Umgebung

Abschrift aus: Heimat und Welt, 1932 Nr.3, Sonntag den 3. April

Abgeschrieben von: Wolfgang Bechtel im Juli 2007

Unsere Heimat ist außerordentlich reich an kulturhistorischen Sehenswürdigkeiten. Alte Sitten und Gebräuche, die ein glänzendes Zeugnis ablegen, von dem Charakter unserer Vorfahren, haben sich zum Teil bis auf den heutigen Tag erhalten. Ja, alte Volkslieder und alte Tänze haben sich in manchen ländlichen Gegenden bis auf den heutigen Tag von Mund zu Mund fortgepflanzt und erhalten. Leider gibt es eine große Zahl von Menschen, die die Bedeutung dieser Altertümer nicht kennen und in blinder Zerstörungswut alte Kulturdenkmäler zerstören. Zu solchen alten Kulturdenkmälern gehören vor allen Dingen die Hausinschriften vor unsern alten Fachwerkhäusern. Gar manches kann man von ihnen lernen und sehen. Sie sind wert, dass sie einmal genauer betrachtet werden.

Wir wollen zunächst die Frage aufwerfen, wo findet man bei uns solche Hausinschriften? Bei genauer Ueberlegung findet man, dass eine einfache Einteilung getroffen werden kann. Zunächst finden wir zahlreiche Hausinschriften an den alten Patrizierhäusern der Kaufleute in den alten Städten des Mittelalters. Man gehe nur durch einige Straßen Lemgos. Recht zahlreich sind die Häuser mit wunderbarem Wand- und Giebelschmuck, und recht zahlreich sind die Häuser mit zierlichen Inschriften. Außerdem finden wir aber auch eine große Zahl von Hausinschriften auf dem platten Lande. Da sind es vor allen Dingen die alten niedersächsischen Bauernhäuser, die diesen Schmuck tragen. Der große Querbalken über der „Heketür“ ist auf gar manchem Hofe mit prächtiger und sinnreicher Schrift verziert. Wie mancher hat vielleicht schon davor gestanden und hat über die Schrift und deren Sinn nachgedacht. Auch wir wollen an einzelne Häuser treten und im Geiste mit alten Zeiten, mit alten Hausbewohnern plaudern. Wir wollen vor das Haus der Familie Wendt in Heiden treten. Der Türbogen trägt die Inschrift:

Mein Gott, so`s dir gefällt, ich baue aus Not und nicht aus Lust und wenn die Arbeit mir fällt schwer. Gebaut im Jahre 1800-1815

Welch eine gewaltige Sprache redet diese Inschrift. Der Erbauer des Hauses wendet sich an Gott, den Herrn und fragt ihn, ob`s ihm wohlgefällt, dass er sich ein Haus baut. Gleich gibt er auch den Grund an, weshalb er bauen will. Die Not ist es, die dazu treibt, in schwerer Zeit ist es, wo er zu der Kelle und der Axt greift, um sich sein zu bauen; denn die Zahlen 1800 bis 1815 reden doch eine gewaltige Sprache. Es ist die Zeit, wo Napoleon Deutschland beherrscht. Es sind die Jahre von Jena und Auerstedt, wo auch bei uns geraubt und geplündert wurde. Es ist die Zeit, wo so manches Haus in Flammen aufging.

In dieser ernsten Zeit wurde das Haus, nicht aus „Lust“ sondern bei saurer Arbeit, durch die Not getrieben, errichtet. Aus dieser unglücklichen Zeit stammen viele Häuser mit Inschriften. Ja, es gibt Inschriften, die sich direkt auf die Freiheitskriege beziehen. Auf dem Querbalken eines Bauernhauses steht geschrieben:

Nach glücklich vollendetem Kriege haben wir dies Haus erbauen lassen im Jahre 1815.

Wahrscheinlich hat der Besitzer jenes Hauses auch unter der damaligen Zeit zu leiden gehabt. Vielleicht ist er selbst mit in den Freiheitskampf gezogen. Nach seiner Rückkehr, nach dem gepriesenen glücklich vollendetem Kriege hat er es dann gewagt und hat das Haus erbauen lassen. Welche Begeisterung, welche Freude spricht aus dieser Inschrift! Die Freude über die Freiheit ist groß, dass im neu erbauten Hause ihrer gedacht wird. Mit Hammer und Meißel lässt der Besitzer in Eichenholz es einhauen: „Nach glücklich vollendetem Kriege“.

Nicht immer sind es politische Dinge, die die Inschrift uns zeigt und lehrt. Oft ist es ein frommer Bibelspruch, oder ein Gesangvers. Wenn es auch wohl zu jener Zeit Sitte war, dass ein frommer Spruch gewählt wurde, so können wir aber doch wohl glauben, dass diese Sitte ihren Grund hat in dem tiefen religiösen Leben jener Zeit. Gerade das Gottvertrauen wird oft in den Inschriften gerühmt und gepriesen. Noch heute strahlt es uns oft in bunten Buchstaben über dem alten Türbogen entgegen:

Wer Gott vertraut, hat wohl gebaut.

Oft ist in den Inschriften auch hingewiesen auf gewaltige Naturereignisse, auf Feuer und Wassernot. Wenn vielleicht ein Haus in den Flammen aufgegangen war, dann bat der Besitzer in der Inschrift seines neuen Hauses um Gottesschutz. Eine solche Inschrift finden wir in Heiden. Der Besitzer Fritz Moritz hat über seiner Tür eine solche Inschrift:

Im Jahre 1848 ist das alte Bauernhaus abgebrannt. Wohl dem, der den Herrn fürchtet, der große Lust hat zu seinen Geboten. Des Samen wird gewaltig sein auf Erden. Das Geschlecht der Frommen wird gesegnet sein. Reichtum und Fülle wird in ihrem Hause sein, und ihre Gerechtigkeit bleibet ewiglich, den Frommen geht das Licht auf in Finsternis von dem Gnädigen und Barmherzigen.

Johann Berthold Moritz und Luise Haverjoh aus der Müssen gebaut 27.Juni 1820

In dem wieder aufgebauten Hause finden wir die Worte:

Der Herr behüte dieses Haus für Feuer und für Wassernot, für Hagel und für großes Ungewitter, dass es dadurch nicht falle nieder. Gott segne dieses Haus und die da gehen ein und aus. Mit Gott in einer jeden Sach den Anfang und das Ende mach. Mit Gott gerät der Anfang wohl, fürs Ende man Gott danken soll.

Auch aus dem täglichen Leben sind manche Inschriften genommen. Sie enthalten entweder eine Lebenswahrheit oder eine Mahnung. Vor dem Gasthause der Wwe. Linke finden wir die Inschrift:

Anno 1732, den 25.Mai hat Johann Christoffel Hunkemeier und Anna Maria Glanderup dies Haus bauen lassen. Psalm M X 13: Herr, kehre dich wieder zu uns und sei deinen Nächsten gnädig. (Johanni Ostbendt).

Im Mai dieses Jahres steht das Haus also 200 Jahre. Freud und Leid haben gewiß in der Zeit dort oft Einkehr gehalten.

Kurz nach dem 30jährigen Kriege ist die jetzige Gastwirtschaft Oberkrome gebaut. Es soll der Sitz des früheren Vogtes gewesen sein. Das Haus trägt die Inschrift:

Herr, lehre mich tun nach deinem Wohlgefallen, denn du bist mein Gott, dein guter Geist führe mich auf ebener Bahn.

Ob die Vögte immer auf guten Wegen gewandelt sind? Ob sie ihre Macht nicht oft zu scharf angewandt haben? Könnte uns doch die Inschrift aus jenen Zeiten erzählen!

Auf das Glück vom Höchsten bauend, durch guter Menschen Hülfe haben wir den Bau im Monat Mai, den 26. 1819 vollführt. Töns Hen. Hanke und Amalie Hanke geb. Meiers aus Bentrup.

Diese Inschrift zeigt sich auf dem Türbogen vor dem Hankenschen Hause in Heiden. Auch vor dem Hause des Tischlermeisters Neddermann Nr.74 findet sich eine schöne verzierte Inschrift:

Wer Gott vertraut hat wohlgebaut im Himmel und auf Erden, wer sich verlässt auf Jesum Christ, der soll den Himmel erben Anno 1711, den 26.Juni hat Jörgen Heinrich Stecker und Christine Marisina Klutz dieses Haus bauen lassen (Zimmermeister Stekker Henrich Dierks).

Eine Inschrift von ganz eigenartigem Inhalte stand noch vor einigen Jahren vor einem Hause auf dem Rhodovischen Hofe in Heßloh:

Wahrlich, wahrlich, wer nicht zur Tür in den Schafstall gehet, sondern steiget anders wohinein, der ist ein Dieb und ein Mörder vor Christo dem guten Hirten.

Auch über Familienereignisse und Angelegenheiten geben uns die Inschriften oft Auskunft. Betrachten wir einmal die Inschrift auf dem Hofe Mölling in Heßloh. Über dem Türbogen steht:

Mit Gottes Hülfe hat H. Mölling geborener Heinrich Brüning aus Heiden und Karoline Mölling dieses Haus bauen und am 4.September aufrichten lassen.

Der gleichgültige Mensch geht vorüber und denkt sich nichts bei diesen Zeilen; und doch enthalten diese Zeilen ein Stück Familiengeschichte. H. Brüning aus Heiden hat um die Karoline Mölling geworben. Er hat sie zu seiner Frau genommen hat seinen Namen aufgegeben und trägt von da an den Namen Mölling.

Im Jahre 1823, den 25.Juni hat Heinrich Feger aus Hardissen und Sophia Windmeier aus der Bremke in Trophagen ein Haus bauen lassen. Was meldet die Inschrift weiter? „Sie“ wurde krank bei diesem Bau, aber der Herr half mir wieder, darum Lobe den Herrn meine Seele, seinen heiligen Namen, lobe den Herrn meine Seele.

Ein harter Schlag für den Bauherrn. Lange wird er den Bau überlegt haben. Im Juni ist mit dem Bau begonnen, da meldet sich die Sorge; die Ehefrau wird krank. Es muß doch wohl eine schwere Krankheit gewesen sein, dass man ihrer bei der Inschrift gedenkt. „Aber der Herr half mir“, welch ein Gottvertrauen spricht aus diesen Worten. Welch ein Loblied singt der Besitzer auf den Herrn, wie weiß er zu danken, wenn er schreiben lässt: „Lobe den Herrn, o meine Seele“. Sinnend steht der Wanderer vor der Inschrift. Die Gedanken eilen zurück in die Vergangenheit. Wo mögen die Eheleute jetzt ewige Ruhe halten? Ihre Gräber kennt man nicht mehr, aber ihr Charakter ist noch an der Inschrift zu erkennen. Lobe den Herrn, o meine Seele und vergiß nicht.

Auch über Namen geben uns manche Inschriften Aufschluß. Auf Ludolphs Hofe in Niewald sagt eine Inschrift:

Den 31.Juli 1819 haben Töns Heinrich Ludolphs und Anna Sophia Niebuhrs aus Hörstmar mit Gottes Hülfe dieses Haus bauen lassen.

Wo finden wir heute noch den Namen Töns? Und haben nicht das „s“ und „a“ in Ludolphs, Niebuhrs und Sophia einen alten Klang?

Am Gasthof Büngener in Heiden findet man eine humorvolle Inschrift.

Dieses Haus ist erbaut, als es noch keine Eisenbahn gab, kein Auto raste über die Landstraße. Alle Frachten wurden per „Achse“ fortgeschafft. Der müde Wanderer, der Wege von mehreren Stunden zurücklegte, ruhte gern in einem Gasthause aus. Wie mögen sich der Fuhrmann und der Wanderer gefreut haben, wenn sie müde am Abend in einem behaglichen Gasthause Unterkunft finden konnten. Der Erbauer des Hauses will seine Gäste freundlich aufnehmen und beherbergen, deshalb lässt er die Worte einmeißeln:

Im Jahre 1829 am 12.Juni hat W. Büngener aus Brake und Annemarie Gellhaus aus Heiden dieses Haus bauen lassen. Liebe Gäste, kommt herein und trinkt ein Gläschen Branntwein, ein Gläschen Bier und auch wohl Wein, möchte ebenfalls nicht schädlich sein. Auch gibt es hier ein gut Quartier und nebenbei ein gut Pläsier.

Bei manschen Inschriften finden wir unten in der rechten Ecke zwei Buchstaben. Es sind Abkürzungen der Namen des Zimmermeisters und des Maurermeisters. Wir wollen nicht Abschied nehmen von den Hausinschriften, ohne ihrer zu gedenken. Wir wollen ihre Kunst im Bauhandwerk bewundern. Ihre Namen sind häufig schon in den Dörfern erloschen und ausgestorben, aber ihre Kunst stehet noch und gibt ein Zeugnis, von dem wir mit Bewunderung Abschied nehmen.

Welche Mahnung können wir nun hieran anknüpfen? Schonet alle Kulturdenkmäler aus aller Zeit, schonet die Hausinschriften, denn sie sind Wert, dass sie uns und unseren Nachkommen erhalten bleiben!

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