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 Der Genealogische Abend 

Naturwissenschaftlicher und Historischer Verein für das Land Lippe e.V.

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Stammbaum, falsch geschnitzt

Lippischer Familienforscher warnt vor dubiosen Geschäften mit Familienchroniken. Von Stefan Derschum
Lippische Landeszeitung von Freitag den 27 August 2004

Detmold. Dielehner? Nein, Bunte! Egal. Suche "Bunte" und ersetze durch "Dielehner". Ein Mausklick, und geschlossen ist die Lücke in der Ahnenreihe des Dielehner-Geschlechts. Diese betrügerische Form von absurder Familienzusammenführung, die vorgibt, Familienforschung zu sein, belegt der Leiter der Lippischen Familienforscher im Naturwissenschaftlichen und Historischen Verein (NHV), Wolfgang Bechtel, mit einem Griff in den Karteischrank des Detmolder Personenstandsarchivs, in dem die Einträge lippischer Kirchenbücher gehortet werden. Der 56-jährige Detmolder warnt vor dem Steinadler-Verlag, der über Postsendungen seit Jahren dubiose Geschäfte mit Familienforschung betreibt.

Wolfgang Bechtel
Wahrheit und Fälschung: In der Liste des Steinadler-Verlages,
die Wolfgang Bechtel zeigt, tauchen die "Buntes"
aus dem Karteikasten als "Dielehners" auf.
Foto: Derschum

"Wilhelm von der Aa baut sich in dem Schreiben mit Telefon-, Faxnummer, Echtheitsgarantien und Zertifikaten eine seriöse Fassade auf", berichtet Bechtel, der seit mehr als 30 Jahren Familienforschung betreibt. Von der Aa, der Steinadler-Verlag sind bekannte, schlecht bekannte, Namen in der genealogischen Szene, und so ließ Wolfgang Bechtel den Steinadler, der im Februar in Form eines Werbeschreibens bei ihm landen wollte, kurzerhand weiter in den Papierkorb segeln. Von der Aa hatte wieder einmal eine Chronik verkaufen wollen, hübsch eingebunden mit einer einführenden Erläuterung des Namens und des zugehörigen Wappens. "Für 77 Euro und 11,95 Euro Portokosten. Herr von der Aa ist sogar ein derart gutmütiger Mensch, dass er bei schneller Entscheidung 35 Prozent Rabatt gibt", sagt Wolfgang Bechtel mit beißend betonter Ironie.
Zurzeit kursierten die Anschreiben, die einen Blick in die eigene Vergangenheit versprechen, auch wieder verstärkt in der heimischen Region. Der Detmolder Familienforscher hofft zwar, dass "möglichst viele den Brief sofort wegschmeißen", doch er weiß auch um die wachsende Popularität der Ahnenforschung. "Und eine gebundene Chronik ist doch ein hübsches Geschenk zu Jubiläen, Geburtstagen oder Weihnachten", betont er die Vermarktungschancen. Jedoch sei die angebotene Chronik überhaupt keine. Wolfgang Bechtel erklärt: "Die Bücher enthalten wertlose Angaben über Heraldik, die Bedeutung von Vor- und Familiennamen und viele ohne Zusammenhang aufgeführte Heirats- und Taufdaten." Eine richtige Chronik beschreibe dagegen die familiären Verhältnisse zwischen den Menschen, wie und wo sie lebten. Die Steinadler-Produkt sei lediglich eine schlichte Auflistung von Daten - "ein Datenfriedhof".

"Die Bücher enthalten nur wertlose Angaben"
Wolfgang Bechtel

 

Ein Datenfriedhof, der zudem falsche Leichen beherbergt. "Die Daten sind falsch", sagt Wolfgang Bechtel. Der Detmolder Fachmann ist unter anderem von einem süddeutschen Familienforscher angeschrieben worden, der dem Steinadler-Versprechen erlegen war und Wolfgang Bechtel als Leiter der Lippischen Familienforscher um eine Überprüfung der lippischen Tupfer in der Familiengeschichte gebeten hat. "Bei Dr. Günter Dielehner waren ausnahmslos alle Daten falsch", nennt Wolfgang Bechtel das ernüchternde Ergebnis und beschreibt ein perfides Spiel mit Ahnen und Namen, um die Dielehner-Chronik aufzufüllen. "Sehen Sie", sagt er und zeigt neben den Daten des Steinadler-Verlages auf einen Karteiauszug des Personenstandsarchivs, "Daten und Vornamen stimmen überein, doch tatsächlich steht in den Kirchenbüchern der Name ,Bunte', nicht ,Dielehner'". Von der Aa hat die Bunte-Daten einfach in die Dielehner-Chronik eingebaut und dann den Namen ausgetauscht." Suche und ersetze.
Wolfgang Bechtel vermutet, dass der Steinadler-Verlag die gewaltigen Mormonen-Archive im Internet für sein Angebot nutze - "und die Lücken werden dann irgendwie aufgefüllt, der Kunde soll schließlich ein umfangreiches Werk für sein Geld bekommen". Ein falsches Werk.
Und die versprochene Geld-zurück-Garantie? Der Detmolder winkt ab und zitierte stattdessen aus den Ergebnissen mehrerer staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen: "Die angegebene Adresse führt nur zu einem Postverteilzentrum in Niederaula, die Telefonnummer zu einem ausländischen Call-Center, die Faxnummer wird über eine Weiche in die Niederlande umgeleitet. Und das Geld landet vermutlich auf einem Konto auf den Niederländischen Antillen. Eine Briefkastenfirma."
Der Steinadler-Verlag und Wilhelm von der Aa seien der Justiz also bekannt, doch neben Zuständigkeitsproblemen verhindere der unbekannte Aufenthaltsort von der Aa's die Eröffnung eines Verfahrens. "Auch den seriösen Genealogen sind die Machenschaften hinreichend bekannt", sagt Wolfgang Bechtel.
Aber für ahnungslose Laien bleibt die eigene Vergangenheit dennoch verlockend. Der 56-Jährige empfiehlt deshalb für die familiäre Spurensuche, mit seriösen Vereinen oder dem Detmolder Personenstandsarchiv Kontakt aufzunehmen, und beginnt zu schwärmen: "Familienforschung ist ungeheuer spannend und die Freude groß, wenn man Verbindungen und Verwandte findet. Es müssen nur die richtigen sein."

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